Was ist ein Entwicklungstrauma?

Was ist ein Entwicklungstrauma?

Der Weg des Herzens

[Lesezeit: ca. 5 Minuten)]

 

 

Was ist ein Entwicklungstrauma?

 

In diesem Blogartikel möchte ich in meinen Worten erklären, was meinem Verständnis nach ein Entwicklungstrauma ist und wie es entstehen kann.

 

 

Ein Entwicklungstrauma kann entstehen, wenn die Bedürfnisse eines Kindes in einem gravierenden Maße nicht angemessen versorgt werden. Sind die Bezugspersonen nicht in der Lage, das Kind adäquat zu versorgen, kann das zu nachhaltigen negativen Auswirkungen auf das Kind führen. Doch wie genau kommt es dazu?

 

Entstehung eines Entwicklungstraumas

Ein Kind ist auf seine Bezugsperson angewiesen, denn es ist nicht in der Lage, seine Bedürfnisse selbst zu versorgen. Je kleiner es ist, desto wichtiger ist die Bezugsperson. Die Bedürfnisse, die ein Kind hat, hängen von der Entwicklungsphase, d.h. auch von seinem Alter, ab. Bei Narm[1] werden diese Phasen in fünf Bereiche unterteilt, die auch vom Alter des Kindes her aufeinander aufbauen:

  • Kontakt
  • Einstimmung
  • Vertrauen
  • Autonomie
  • Liebe/Sexualität

 

In der ersten Phase z.B., die den Zeitraum vor, während und einige Monate nach der Geburt umfasst, ist das Kind in hohem Maße auf Kontakt angewiesen. Es kann alleine nicht überleben. Erfährt es in dieser Zeit Ablehnung, hat das einen großen Einfluss auf das Kind und auf sein Nervensystem. Ist es z.B. kein Wunschkind, hat nicht das gewünschte Geschlecht oder muss die Mutter eine Zeit lang ohne das Kind im Krankenhaus bleiben oder umgekehrt, kann sich das auf das Kind auswirken. Das Kind kann dadurch ein Gefühl der Ablehnung erfahren oder das Gefühl verinnerlichen, dass es gar nicht auf der Welt sein sollte oder dass es kein Existenzrecht hat. Auch wenn dieser Moment nur einige Tage umfasst, kann er im Kind Spuren hinterlassen.

 

Die Reaktion des Kindes

Allgemein ist unsere erste Reaktion auf ein unerfülltes Bedürfnis der Protest. Wir beschweren uns normalerweise, wenn wir etwas nicht bekommen, was wir brauchen. Das gilt umso mehr für Kinder, weil sie sich nicht selbst versorgen können. Daher wird sich ein Kind bemerkbar machen, wenn es etwas braucht und dafür die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, wie z.B. weinen, zappeln, schreien, schimpfen. Je kleiner das Kind ist, desto weniger Mittel stehen ihm hierbei zur Verfügung.

 

Doch was bleibt einem Kind, wenn die Menschen in seiner Umgebung diesen Protest nicht wahrnehmen, ablehnen, es dafür auslachen oder sogar mit Gewalt darauf reagieren? Wenn es seine Wut nicht nach außen tragen kann, aber auf diesen Menschen angewiesen ist, wird es die Wut zu sich nehmen, um den Kontakt zur Bezugsperson nicht zu verlieren. Das heißt, es richtet seine Wut gegen sich selbst statt nach außen, um einen Kontaktabbruch zu vermeiden. Denn dieser wäre potentiell lebensgefährlich, weil das Kind ohne den Erwachsenen nicht überleben kann.

 

Damit verbunden ist der Aspekt, dass der Gedanke für das Kind zu gefährlich ist, dass die Bezugsperson nicht in der Lage ist, sich angemessen um es zu kümmern. „Besser“ ist es, zu denken, dass mit ihm selbst etwas nicht stimmt und die eigenen Bedürfnisse zu viel oder unangemessen seien und sie zurückzunehmen. Denn diese Bedürfnisse wahrzunehmen, wird zu schmerzhaft, weil sie unbeantwortet bleiben. Mit dieser Reaktion schneidet sich das Kind von einem Teil von sich selbst ab und damit von einem authentischen Kontakt mit sich selbst und anderen. So versucht das Kind, sich auf die Art und Weise, die ihm zur Verfügung steht, seiner Umgebung anzupassen. Narm nennt diese daraus entstehenden Verhaltensweisen „adaptive Überlebensstile“. (auch hierauf werde ich im Laufe der Zeit genauer eingehen)

 

Der Kern eines Entwicklungstraumas ist also das an eine Umgebung, die nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse des Kindes adäquat zu versorgen, angepasste Verhalten, mit dem die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zurückgestellt und unterdrückt werden.

In der Therapie mit Erwachsenen geht es deshalb vor allem um das Gewahr werden dieser Verhaltensweisen und das Zurückfinden zu einem authentischen Kontakt. Sowohl mit sich selbst als auch mit anderen.

 

 

Zusammenfassung: Entstehung eines Entwicklungstraumas

Ein Entwicklungstrauma entsteht demnach, wenn die Bezugsperson(en) die Bedürfnisse des Kindes nicht angemessen versorgen und das Kind daraufhin den Protest aufgrund der fehlenden Fürsorge gegen sich selbst richtet, seine eigenen Bedürfnisse zurücknimmt und sein Verhalten der Umgebung anpasst, um einen Kontaktabbruch zu den Menschen zu vermeiden, auf die es angewiesen ist. Damit unterbindet es notwendigerweise den authentischen Kontakt mit sich selbst und anderen.

 

[1] Heller, Laurence/Kammer, Brad J: Praxisbuch, Entwicklungstrauma heilen (Narm), 2023

 

 

 

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